Man will es nicht verheimlichen. Man öffnet nach den Ferien inzwischen nicht mehr die Post zuerst, sondern durchforstet gleich einmal die letzten Zürich 2-Ausgaben nach womöglich verpassten Highlights. Selbiges wurde soeben gefunden. Insbesondere bemerkenswert am Online-Auftritt dieses Quartier-Käseblattes ist die Archiv-Funktion, bei welcher als Suchbegriff auch Autoren eingegeben werden können - wurde natürlich flugs verwendet und rein zufällig stiess man auf folgende Kuriosität. Zeit ist ja heute Geld und deshalb haben wir Euch gleich die lesenswertesten Passagen markiert. Sedö lüeg:
Little Züri 2: 23 rauchende Spitalangestellte
Letzten Sonntag war ich im Triemli-Spital einen Freund besuchen. Es herrschte Traumwetter! Draussen vor dem Eingang sassen die Besucher und die Kranken mit ihrem mobilen Infusionsständer. Sie tranken Kaffee und blinzelten in die Sonne. Eine lange Tischreihe war für die Raucher reserviert.
Beni Frenkel
Es hätte auch stehen dürfen: «Reserviert für unsere rauchenden Ärzte». Da ich sonst nichts zu tun hatte, begann ich zu zählen: 23 Spitalangestellte rauchten. Krass, dachte ich mir, da sitzen sie nun, unsere Halbgötter in Weiss und rauchen wie ein Schlot. Ausserdem trinken sie Kaffee, das ist auch nicht gesund, und sitzen sehr unbequem in ihren Stühlen. In zehn Minuten gehen sie wahrscheinlich wieder auf Patientenvisite und tun besorgniserregend: «Frau Gabler, ihre Lunge, sieht gar nicht gut aus!».
Wäre ich ein Arzt, ich würde meine Vorbildfunktion besser ausüben. Als Lehrer mache ich das heute schon. Wenn ich im Migros hinter einer alten, langsamen Frau stehe, zische ich sie nicht an: «Komm, mach schon, du Alte!» Ich gehe fast grundsätzlich nie bei Rot über die Strasse und beim Briefeschreiben am Computer benutze ich immer die automatische Grammatik-Kontrolle. Am Morgen putze ich mir immer die Zähne, und vor der Stunde trinke ich nie Kaffee (wegen Mundgeruch). Auf gute Kleidung lege ich grossen Wert. Die Finger- und Fussnägel schneide ich einmal pro Woche und benutze, falls nötig, die Nagelfeile. Ich darf festhalten: Ich bin ein sehr gutes Vorbild für unsere Kinder.
Doch im Triemli läuft vieles falsch. Sogar im Fahrstuhl. Auf einem Verbotsschild steht: «Rauchen verboten», aber darunter hat es gleich einen Behälter für die Zigarettenkippen. Und auf jedem Stock gibt es einen Balkon mit einer Raucherecke.
Ich verstehe das nicht. Warum können Ärzte nicht ein bisschen auf ihre Aussenwirkung achten? Das sollten sie eigentlich schon im ersten Semester gelernt haben, spätestens bei der ersten Stelle. Aber vielleicht werde ich alt. Korrektes Auftreten, Selbstbeherrschung und Berufswürde sind heutzutage Fremdwörter geworden. Wie schade!
Beni Frenkel ist Lehrer, wohnt in wollishofen und ist zweifacher Familienvater. Er schreibt regelmässig fürs «Zürich 2».
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