Donnerstag, 3. Juni 2010

Der offene Brief von Prandelli

Dass Florenz eine verrückte und spezielle Fussballstadt ist, kann jeder bezeugen, der einmal im Franchi ein Spiel verfolgt hat. Neunzig Minuten lang wird durchgesungen, und zwar nicht wie andernorts mit den immergleichen Melodien. Wenige verfolgen ihre Mannschaft so unaufhaltsam wie die Fiorentina-Fans. Umso härter traf diese Anhänger des diesjährigen Achtelsfinalisten der Champions League, als bekannt wurde, dass ihr verehrter und geliebter Trainer, Cesare Prandelli, einer der menschlichsten Erscheinungen im kurzlebigen Fussballgeschäft Italiens, auf die neue Saison hin das schwere Erbe von Marcello Lippi als Commissario Tecnico antreten wird und nunmehr seinen Posten in Florenz räumt. Als Zeichen seiner Verbundenheit hat er in der lokalen toskanischen Presse einen offenen Brief publiziert, der Fussballvernarrten und Mannschaftssport-Theologen auf dem ganzen Planeten den Kampf mit den Tränen eröffnen wird:

Demjenigen, der mich auf der Strasse getroffen hat und Cesare genannt hat. Der in den Regen gestanden ist, in die Sonne und in den Wind des Stadio Artemio Franchi. Der seine Ferien in Folgaria, Castelrotto und Cortina (Anm. d. Red. Orte von Trainingslagern der Fiorentina) verbracht hat. Der wegen einem ungerechtfertigten/verschossenen Penalty oder aus Freude im Anfield geweint hat. Der wie ich geglaubt hat und sich ob einer einzigen Viola-Flagge an einem Fenster gerührt hat. Der sich gedacht hat, dass ich, obschon ich bei einigen Auswechslungen falsch lag, trotzdem ein guter Typ bin. Der die Bedeutung der Stille zu verstehen und schätzen wusste. Der hunderte Kilometer zurückgelegt hat, um sagen zu können „Ich war dabei.“. Denjenigen von Verona, Torino und die mit uns vor Freude geweint haben. Denjenigen, die in der Nacht am Flughafen auf uns gewartet haben, um „Forza Viola“ zu singen. Demjenigen, der mir zurief „Lass sie laufen“ und der gerannt ist. Der mir „Grande Mister“ oder „Einer von uns“ sagte oder „Wenn ich mit Dir spreche, ist es wie mit einem Verwandten, einem Cousin, Onkel oder Vater zu sprechen“ und jedes Mal von Neuem meine Seele rührte.

Euch allen, der Stadt Firenze mit seiner etwas melancholischen Eleganz, seinem Misstrauen und seiner Grosszügigkeit, habe ich nur zwei Dinge zu sagen: Danke und ich werde Euch immer in meinem Herzen tragen.

Cesare.

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