Mittwoch, 28. Juli 2010

Tikkun in Tiefencastel?

(Leider hatte es im Text eine verschobene Passage. Jetztz sollte aber alles stimmen. Sie, soarry.)
Der Artikel sollte inzwischen bekannt sein. Was allerdings passiert, wenn man ihn rumschickt, ist fast noch witziger als der Artikel selbst. Es folgen zuerst nochmals der Artikel und dann ein best of der Kommentare:

Braucht Tiefencastel einen Tikkun?

Mitte der fünfziger Jahre weilte der Brisker Raw SZ'L während den Sommerferien in Schuls und der Wischnitzer Rebbe SZ'L in St. Moritz. Es versteht sich, dass zahlreiche Menschen sich deswegen ins Engadin begaben. Prinzipiell hatte der Luzerner Rosch-Jeschiwe, Raw Moische Solowiejczyk SZ'L, nichts dagegen, dass auch Bachurim der Jeschiwe Luzern auf Schabbes dorthin fuhren. Vier Bachurim mieteten einen Wagen und wollten hinauffahren. Aus mir nicht bekannten Gründen empfahl es ihnen Raw Moische nicht. Sie fuhren trotzdem los und blieben über Schabbes in Tiefencastel stecken.
Im August 1959 kam der Satmarer Rebbe SZ'L nach Schuls. Wiederum fuhren viele Menschen dorthin. Ich lernte damals in der Jeschiwe Luzern und war bereits im Besitz eines Motorrad-Führerscheins. Ein anderer Bachur, S.B., wollte unbedingt Motorrad fahren lernen. Er schlug mir folgenden Handel vor: er würde die Miete eines Lambretta-Rollers übernehmen, und wir könnten zusammen über Schabbes nach Schuls fahren. Dabei müsste ich lediglich auch ihn fahren lassen. Mich reizte die Aussicht auf ein solches Abenteuer, und ich willigte ein. Am Freitag-Vormittag fuhren wir schwer beladen ab. Nach einigen Stunden erreichten wir Klosters. Dort gab es viel Betrieb und eine Strassensperre. Ein Polizist erklärte uns, dass das Training für das Autorennen Klosters Davos im Gang sei. Er riet uns, über Chur, Lenzerheide und Albulapass auszuweichen. Mittlerweile war es Nachmittag geworden. Wir fuhren also Richtung Chur und hinauf nach Lenzerheide. Ganz oben angekommen drehte zwar der Motor munter, doch hörte er plötzlich auf uns anzutreiben. Wir rollten hinab bis Tiefencastel. In einer Tankstelle mit Werkstatt erklärte uns der Mechaniker, unser Getriebe sei im Eimer. Da er glücklicherweise Motorradspezialist sei, könne er die Reparatur rasch durchführen, er müsse aber zuerst einige Teile beschaffen. An eine Ankunft in Schuls vor Schabbes war jedoch nicht mehr zu denken. Wir kauften Kerzen, Semmeln (was damals, vor mehr als 50 Jahren, noch erlaubt war), Sardinen (in reinem Olivenöl), Obst, Gemüse, Getränke und Plastik Geschirr und Besteck, nahmen ein Hotelzimmer und verbrachten einen denkwürdigen Schabbes. Nach Schabbes-Ausgang bekamen wir unser repariertes Gefährt zurück, beluden es und fuhren über den Albula Pass Richtung Schuls, wo wir nach Mitternacht eintrafen. Es war gerade vor Hawdolo und geraume Zeit vor der Melawe de-Malko Se-udo. Am nächsten Tag, als wir uns zur Rückfahrt bereitmachten, fiel unser Getriebe endgültig aus. Wir und die Lambretta mussten die Bahn benützten um wieder nach Luzern zu gelangen. Als unser Rosch-Jeschiwe, Raw Moische Solowiejczyk SZ'L unsere Geschichte hörte, meinte er: "Vermutlich braucht Tiefencastel einen Tikkun".

Erew Schewi'i schel Pessach 1965 fuhr ein mit uns befreundetes Ehepaar mit dem Zug Richtung St. Moritz. In Filisur gab es eine Fahrleitungs-Störung. Die Leute bestiegen ein Taxi. Während der Fahrt erklärte ihnen der Fahrer, es sei hoffnungslos, noch vor Nacht St. Moritz erreichen zu wollen. Sie beschlossen, in Tiefencastel auszusteigen und nahmen ein Hotelzimmer. Der Hotelier P. Bermann schickte ihnen daraufhin per Taxi alle Jom-Tow Mahlzeiten. Vorige Woche fuhr ein anderes mit uns befreundetes Ehepaar Erew Schabbes mit dem eigenen Wagen Richtung St. Moritz. Vor Tiefencastel streikte die Servolenkung, Hydraulik-Öl floss aus und ein Keilriemen zerriss. Während sie ratlos da standen fuhr ein anderes uns bekanntes Ehepaar mit einem grossen Kombi vorbei. Sie hielten an, halfen beim Aus- und Einladen und warteten bis der TCS den defekten Wagen abschleppte. Es war äusserst eng im Wagen, aber. sie kamen rechtzeitig vor Schabbes in St. Moritz an. Es gibt zahlreiche Hinweise für eine jüdische Präsenz in Graubünden seit etwa zwei Tausend Jahren. In Disentis beispielsweise tragen auffallend viele Leute den Familiennamen Levy und geben an, von Juden
abzustammen. Wer kann mir berichten, was sich sonst einmal merkwürdiges in Tiefencastel ereignet hat?



Und hier die besten Kommentare:

1. lässt er den goj, den töff am schabes reparieren.

2. hawdolo um mitternacht? wo liegt scuol?


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gueti besserig

sind semmeli hüt nümm erlaubt?
ich bin froh, dass d'sardine nur in oliveöl gsi sind.

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Danke fuer den hochinteressanten Artikel! Ich war sehr beeindruckt ueber die Kenntnisse des Autors ueber Auto- und Motorradmotoren, sowie ueber sein detailliert geschildertes spannendes Abenteuer mit der Lambretta. Ich bin auch sehr froh, dass Semmeln vor ueber 50 Jahren noch erlaubt waren, und dass seine Schabossardinen in reinem Olivenel eingelegt waren...


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1. Vor 50 jahren konnte man einfach so semmeln kaufen!!!??? Das dies durch die zensur gelangt ist?
2. Ich bin wohl über 50 mal in meinem leben durch tiefenkastel gefahren und es hat mich immer im kleinen linken zeh gezwickt. Efscher sollte ich dies dem autor schreiben...

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- nebbisch
- 3-4 fälle in 60 jahren (also ca. alle 20-15 jahre 1 fall) ist doch nicht viel. sogar eher wenig,
wenn man bedenkt, dass jeder der ins engadin fährt dort vorbei kommt und es nun mal eine
der grösseren städte in der gegend ist
- der autor scheint automechaniker zu sein bei der detaillierten beschreibnug der pannen
- mein absoluter lieblingssatz: „Wir kauften Kerzen, Semmeln (was damals, vor über 50 Jahren, noch erlaubt war), Sardinen (in reinem Olivenöl), …… und verbrachten einen denkwürdigen Schabbes“
1. Er muss sich doch tatsächlich wegen der Kashrut rechtfertigen. Nebbisch.
2. Weiss er eigentlich was denkwürdig überhaupt heisst? Passt überhaupt nicht in den Satz.
- in allen fällen sind die leute wegen technischen pannen stecken geblieben. vielleicht liegt es eher daran, dass sich jiden und technik so gut vertragen wie tschulent und zu-zweit-im-lift-stehen

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Musste mir bereits Tränen aus den Augen wischen, als dich den Text unter dem Bild gelesen hatte. Hat in der Zwischenzeit jemand rausgefunden, warum der Obernauer Rebbe damals gegen die Töffreise nach St. Moritz war???

Mein Favorit aus Disentis ist übrigens: Christian Levy. Beruf: Senn

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ZU GEIL!!! diese wortwahl.... you can't make that shit up! "das war damals noch erlaubt" -- hilarious! :-)

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