Mittwoch, 9. Dezember 2009

Kommunikation zwischen Genie und Wahnsinn

Auf meine Posts hin wurde ich wiederholt gefragt, was ich meinte mit "die Linke hat den Wahlkampf nicht mit allen Mitteln geführt" oder ähnlichen Aussagen.
Diesem Thema - und vor allem dem umstrittenen Plakat - möchte ich darum einen eigenen Post widmen.


8-ung! In diesem Post geht es nicht um den Inhalt der angesprochenen Kampagnen, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Thema Kommunikation im Wahlkampf:

BILDERWELT


Schauen wir uns kurz die wichtigsten Plakate zur Minarett-Initiative an. Zuerst das umstrittene Plakat der Befürworter:

Dieses Plakat macht alles richtig:
1. Man begreifft sofort, um welches Thema es geht.
2. Die Aussage ist sonnenklar. Schon nach einem Blick. Der Betreiber des Plakats will klar keine Minarette.
3. Es wirkt bedrohlich und macht so einerseits Angst und andererseits auf "das Problem" aufmerksam.

4. Genial: Mit fetten roten Buchstaben wird dem Wähler gesagt, was er auf den Zettel schreiben soll.
5. Wie schon öfters in der Vergangenheit, sind diese Plakate 3-farbig: ROT, WEISS, SCHWARZ. Dies hebt sie einerseits von anderen plakaten ab und sie werden ganz einfach und schnell wahrgenommen. Aber vor allem ist es farbpsychologisch genial.
ROT-WEISS=Schweiz. SCHWARZ=Eine Bedrohung darin.

(Vor allem der 4. Punkt war in dieser Kampagne enorm wichtig. Denn paradoxerweise musste man JA stimmen, wenn man keine Minarette wollte und NEIN stimmen wenn man Minarette wollte. Doch dazu später.)
Kommen wir zum Plakat der Initiativ-Gegner:

Vergleichen wir mit den 5 oben genannten Punkten:

1. Dem Betrachter ist nicht von der aller ersten Sekunde an klar, worum es geht.
2. Um die Aussage zu verstehen, muss man zuerst den Text lesen. Das Bild reicht nicht.

3. Die gemalte Idealvorstellung ist zwar schön, motiviert den Wähler aber zu wenig sich dafür einzusetzen.
4. Das Wort NEIN ist viel zu klein geschrieben. Es wird niemals von allen Betrachtern wahrgenommen. Auch hier muss zuerst gelesen werden, bevor die Aufforderung klar wird. Dabei wäre es eben wichtig, dem Betrachter zu zeigen, was er auf den Stimmzettel schreiben muss.
5. Das Plakat sticht nicht durch eine simple Farbwelt heraus. Es wirkt eher intelektuell und für viele daher eher abschreckend ("das lueg i nöd a, das verstahn i eh nöd").

Fazit: Das Plakat der Initiativ-Gegner ist zwar sehr schön, eignet sich aber leider besser als Poster in einem Gruppenraum einer Dialoggruppe. Oder als Desktop-Hintergrund. Ich denke, dass es aber leider vor allem als Bestätigung wirkt für Personen, die sowieso NEIN gestimmt hätten. Ich bezweifle, dass dieses Plakat viele Unentschlossene Wähler auf die NEIN-Seite ziehen konnte.
PLATZIERUNG
Während das Burka-Plakat intensiv auf Plakatflächen gestreut wurde, war das Himmel-Plakat v.a. in ausgewählten Printmedien zu sehen (u.a. im TACHLES). Auch hier gilt wieder: Nett mitgemacht, aber das war scheinbar zu wenig. Das Plakat konnte ich den Köpfen der Bevölkerung nicht verankert werden. Auserdem wurde das Plakat auch hier vor allem von jenen wahrgenommen, die eh schon wussten, dass sie NEIN stimmen werden.
Die Minaret-Gegner hingegen haben das Plakat nicht nur überall aufhängen lassen. Sie haben der APG sogar schon Ersatzplakate geliefert, weil sie wussten, dass die Plakate beschmiert und beschädigt werden würden.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die Initiativ-Gegner haben es verpasst, mit gleich harten Bandagen in den Kampf zu ziehen. Waren sie zu siegessicher? Waren sie zu nett oder politisch korrekt? Zu naiv? Ich weiss es nicht.

Folgendes hätte (im nachhinein betrachtet) anders laufen können:

  • Die Plakat hätten die Botschaft klarer transportieren müssen
  • Die Bilderwelt hätte sugereiern müssen, dass eine Annahme der MI fremdenfeindlich ist (den niemand lässt sich das gerne nachsagen)
  • Die Plakate hätten mit gleicher Intensität gestreut werden müssen
Die Linke ist dieser Zurückhaltung zum wiederholten Male zum Opfer gefallen. Solang Sie nicht bereit ist, mit harten Bandagen zu kämpfen und sich die Finger mal schmutzig zu machen, wird sie solche Abstimmungen immer öfter verlieren.
PARALLELEN


Um zu zeigen, dass diese Kampagne 1.) in ihrer Gesamtheit gut geführt wurde und 2.) keine Einzelfall ist, hier noch einige weitere Plakate.
Zuerst noch einige andere Anti-Minarett-Plakate (auf die auch viele der oben genannten Kriterein zutreffen):


(Kleine Anmerkung: Der I-Punkt über dem Wort "Minarettverbot" ganz rechts ist ein Halbmond!)
Und zur Erinnerung noch 3 Plakate, die nach ähnlichem Schema wie das Burka-Minarett-Plakat funktioniert haben (Farbwelt, Bilderwelt, Aussage usw.)






Es bleibt zu hoffen, dass bald alle politischen Gruppierungen begreiffen, dass ein Wahlkampf von Anfang bis Ende clever und hart durchgeführt werden muss. Sonst gewinnen in Zukunft immer öfters jene, mit der besten Kampagne und nicht mehr jene, mit den besten Argumenten.

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