Dienstag, 10. März 2009

Das Mittelalter im 2009

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Werte Bloggemeinschaft, ich begrüsse Euch zu meiner Habilitation. Nicht die grossen literarischen Worte möcht ich verlieren, vielmehr sollen Geschichten aus dem Alltag die Essenz der aneinenader gereihten Wörter sein.

Heute, zum heiligen Purim, hatte ich die Ehre zu Gast in einem nicht unbekannten Hause zu Zürich zu sein. Kurz nach Betreten des herrschaftlichen Anwesens floss dann bereits der Vodka in Strömen. Der Gastgeber gab sich nicht mit den handelsüblichen Schoppen zufrieden. Nein, es mussten die 1,5 Liter Flaschen aus dem C&C sein. Es seien hier Zweifel angebracht, ob den Anwesenden aufgefallen ist, dass die Beschriftung des fröhlich machenden Saftes nur "up-side-down" gelesen werden konnte. Schliesslich hängt man diese Flaschen normalerweise in die dazu vorgesehen Halterungen in Bars. Zweifel kamen deshalb, weil nur unwesentlich nach dem Entjungfern der Flaschen an ein koordiniertes und klares Denken nicht mehr zu denken war.

Wer sich der hiesigen Bräuche nicht vertraut ist, dachte sich im falschen Film. Zu zehnt rannte man Hände klatschend um den Tisch lauthals mitsingend zu einer Endlos-Compilation mit nahöstlichen Klängen. Für Aussenstehende war eine Choreografie nicht erkennbar. Obwohl die Akteure der festen Überzeugung waren, dass ihr Performance locker an der nächsten Musicstar-Veranstaltung aufgeführt werden könnte. "Leider nein", kännsch? Auf wackligen Beinen stolperte man im Kreise, mähte immer wieder Holzklappstühle um, kippte Gläser, in den Rachen und auf den Boden. Zu hauf. Die weiblichen Geschöpfe im Nebenraum liessen sich jedoch keineswegs von den lauten Begleiterscheinungen dieses Kegelabends irritieren.

Es folgte das ritterlichen Mahl. Der Mundschenk hatte sich heute in weiser Vorahnung freigenommen. Unkoordinierte Schritte führten zum Buffet. Die Einzelheiten der Nahrungsaufnahme sollen hier erspart bleiben. Nur so viel: Meine Annahme, dass wir das Mittelalter weit hinter uns gelassen haben, erwies sich als furchtbaren Irrtum. Der erste Gedanke: Zum Glück sieht uns keiner! Vor allem: sieht mich keiner. Einer einleuchtender Erklärung wär ich nicht fähig gewesen. Und das lag nicht am Alkohol. Purim halt.


Es sei an dieser Stelle für einen kurzen Moment innegehalten. Ein grosser Künstler hat uns verlassen. Mit spitzer Feder und einer unglaublichen Beobachtungsgabe und Sprachwitz sorgte er Donnerstag für Donnerstag für die wöchentliche Erheiterung im Blätterwald. Alltagsgeschichten unserer Grossstadt wiedergegeben, sympathisch, fröhlich, aufheiternd, glücklich machend. Ein herber Verlust, für die Freunde des gefplegten Comics, für Zürich, für mich. Danke, Mike!

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