Donnerstag, 4. Dezember 2008

Liebesgrüsse aus Moskau

Tajre Chassidim,

Ich habe dir grosse Ehre, mit diesem Eintrag meine Premiere bei euch, liebe CC‘s, zu feiern.
Den mir von Warzenschnuffel erteilte Kowed will ich ernst nehmen, doch muss ich bereits am Anfang vorausschicken, dass meine Schreibkünste nicht auf dem demjenigen Niveau einzelner Protagonisten dieses Forums liegen.

Ich berichte aus dem kalten Osten, eigentlich dem nahen fernen Osten aka Viennensis. Lange habe ich mir überlegt, was ich berichten kann. Das Beste ist wohl, wenn ich einige Eindrücke und Erlebnisse erzähle.


Haute-Cuisine

Tatsächlich, schwierig ist es ja nicht, eine bessere Koscher-Versorgung auf die Beine zu stellen als in Zürich. Und so hat man hier tatsächlich die Auswahl zwischen mehreren Gaststätten.
Hervorheben will ich die Pizzeria (oder wie man im Kreis 3 auch gerne sagt: Phhhhizeria), die ich neulich erst gerade wieder einmal besucht habe. Nebst dem, dass das Essen wunderbar ist, muss man sich nicht einmal entschuldigen, wenn man etwas bestellen will. Sogar Besteck lag von Anfang an schon auf dem Tisch und von schmutzigen, klebrigen und fiesen Geräuschen beim Gehen auf dem Parkett ist auch nichts zu hören. Einziger Wermutstropfen ist, dass man die Spezialitäten aus dem Hause „Jasmin“ vergebens auf der Karte sucht.
Äusserst nett ist auch die Variante, in der Metzgerei einen Imbiss zu nehmen, bei täglich abwechselnder Auswahl. Donnerstag ist beispielsweise Schwarma-Tag, getreu dem Motto: Hüt üsch Dönerstag.
Warum so was beispielsweise in Zürich nicht möglich ist, ist nur schwer verständlich. Ah nein, ganz vergessen, mir fallen hier ein paar sehr gute Gründe ein: Auf der Hand liegt natürlich das klassische Znies-Argument (habe übrigens schon oft auf Onlysimches bei einem frisch verlobten Pärchen gelesen, dass sie sich in der lokalen Metzgerei getroffen haben). Nicht zu vergessen ist auch das Argument, dass nicht im Stehen gegessen werden sollte. Unnötig zu erwähnen sind die gemeinen und altbekannten Milchteufelchen, die aus den kurz vor dem Metzgereibesuch gekauften Joghurts und Milch herausspringen und bekanntlich eine grosse Vorliebe für Schwarma haben. Liebe Chassidim, ihr seht also allerlei Gründe, eher misnagdisch zu sein!


Von Tschulentkigel und anderen Spezialitäten

Wie das so oft ist, merkt man erst wenn man es nicht mehr hat, wie gut es eigentlich ist. So geschehen mit der Schiel.
Nicht dass es unangenehm ist dort zu oren, oder dass die Leute unsympathisch wären, nein. Es ist vor allem das Gerede und die Länge der Tfila, wobei 2.5h (!) an einem furztrockenen Schabbes absolut Durchschnitt ist. Mein langjähriger Banknachbar und CC-Kollege Grasl kann bestätigen, wie ungemütlich ich werden kann, wenns zu lange geht.
All dies wird jedoch durch eine schöne Institution abgemildert. Nach dem Dawenen setzt man sich nochmals gemütlich hin und Tschulentkigel wird serviert. Dafür braucht es nicht einmal eine spezielle Simche oder ein anderes „25-Jahre Waschzeine Jubiläum“. Nein, dies ist einfach Standard! Zugegeben, wir können darüber diskutieren ob es aufgrund des vorherrschenden Vegetarismus dieses Tschulent als solcher bezeichnet werden kann und darf. Aber lassen wir das mal auf de Seite.
Da bekommt der Passuk „Ma tovu ohalecha Jaakov“ einen ganz neuen Pschat. Ob die Tora wohl schon damals damit gerechnet hat, dass später mal in den „ohaleche Jaakov“ Tschulent gespachtelt wird?


Loooschen

Zugegeben, unser Züridütsch Ole Ole ist ja auch nicht das Erhabenste. Aber was für Wörter hier teilweise gebraucht werde ist nicht von schlechten Eltern. Hier ein Emergency-Dictionary, falls ihr mal beim Skifahren in Smnaun nicht mehr rechtzeitig vor dem Eindunkeln auf die Schweizerseite zurückfindet:

schierch = hässlich
fesch = hübsch
Paradeiser = Tomaten
Fisolen = Bohnen
Karfiol = Blumekohl
Kukruz = Maiskolben
Stellage = Gestell
plakatieren = ein Plakat anbringen
(Achtung Regel: Man nehme einfach ein Nomen und mache ein Verb daraus)
Federpenal = Etui
Verlängerter = das was bei uns als normaler Cafe Crème durchgeht
Melange = das was bei uns, und übrigens auf der ganzen Welt, als Cappuccino durchgeht
Kleiner Brauner = Ja, ihr ahnt es ja, ein Espresso.
(Finde dieser Ausdruck hat einen eigenen Nobelpreis verdient)
Jause = Znüni oder Sandwich


Zum Glück waren bis anhin all meine Vorlesungen auf der Uni entweder von Deutschen abgehalten oder auf Englisch. Ich will mir nicht ausrechnen wie das sein wird, wenn plötzlich mal ein Dozent in einem breiten Dialekt zu reden beginnt… Oder stellt ihr euch doch mal einen Vortrag in breitem Walliser-Deutsch, Entschuldigung, ich meine Woischer-Titsch vor!


Es gäbe sicherlich noch einiges zu berichten, aber ich denke fürs erste REICHts mal.

In diesem Sinne,

Euer Stangenschuss

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Du bist so schön!
Herzlich willkommen im trauten Kreis der chassidisch-anarchischen Schreiberlinge, möge Dein Licht uns erhellen!
Von wegen Schönheit und Pasukzitaten: Der schrummschrummdagadaga-80/20-Prinzip-Rabbiner in Zürich hat im MW vor ein paar Wochen jemanden zitiert, der beim Anblick einer schönen Frau gesagt haben soll: "Ma gadlu maasecha hashem!"
Wenn er das nicht so gemeint hat, wie's offensichtlich ist(vereinzelt zauberte er dabei für einmal Grinsmaschen auf die Gesichter der Teilnehmer).
Für unseren neuen Aussenminister Stangenschuss gilt übrigens: Pen yirbu!

Anonym hat gesagt…

Herzlich willkommen dem Stangenschuss!! Einfach nur schön.
Aufgefallen: Beeindruckend, wie du den Passuk "Ma towu ohalecha Jaakow" verschieden, je nach Situation interpreitieren kannst: Unvergessen dass du diesen Satz während der WM 2006 anlässlich eines Whiskyclubs wie folgt interpretiert hast: "Wie schön sind deine Stadien, Köbi"! Und nun diese Tschulentinterpretation, Respekt!