Donnerstag, 2. Oktober 2008

Die wachsende Anziehungskraft des Schwarzhemdes in der Fussballwelt (repubblica.it)


Frei übersetzt aus der Repubblica:

Das Outing von Christian Abbiati, sowohl privatem wie nun auch öffentlichem faschistischem Torhüter der AC Mailand, hat weite Spektren des Fussballs eröffnet, der stillschweigend schon seit je her rechts einzustufen war. Jene Worte, die in ganz Europa zurückgeprallt sind - "mit dem Faschismus teile ich Ideale wie die Heimat, die Werte der katholischen Religion und die Fähigkeit, Sicherheit zu gewährleisten" - werden von einer stetig wachsenden Anhängerschaft von italienischen Fussballern und Funktionären geteilt.
Die Kraft dieser enthüllenden Worte des Torhüters, welcher regelmässig die Exponenten von Cuore Nero, eine neofaschistische Organisation Mailands, welche zudem auch Referenzpunkt für die Faschisten aus der Inter-Kurve sind, aufsucht, propagiert mehr als nur den italienischen Pret-a-Porter-Revisionismus und einen "guten" Faschismus vor 1938. Fussballer, welche früher dazu tendierten, nur ängstlich Aussagen zu machen, verstehen, dass diese "Wahrheiten" heute endlich ausgesprochen werden dürfen: Bei der Stimmung im 2008 gefährden sie hierbei ihre Karrieren nicht mehr.
Verschiedene Italiener haben linkische Nummern abgezogen und wedeln mit Abbildern des Faschismus, um sich danach zu rechtfertigen: "Ich wusste es nicht." Der Torhüter Gianluigi Buffon, aus engagiertem katholischen Haus, verfing sich in vier anstössigen Situationen. Einmal trug er die Nummer 88, welches von der jüdischen Gemeinde als Akronym von Heil Hitler entlarvt wurde. Dann war da das gestreifte Unterhemd mit der abgebildeten Faust und dem Schriftzug "Boia chi molla" (Wehe dem, der aufgibt). Im 2006, während den Feiern des Weltmeistertitels im Circo Massimo stellte er sich breithändig vor eine Brüstung und dem Schriftzug "Fieri di essere Italiani" (Stolz, Italiener zu sein) - mit einem Keltenkreuz in der unteren rechten Ecke. Und seine Anhänger, die Arditi (Kühnen) della Juventus stimmten während des Auswärtsspiels in Bratislava den faschistischen Gesang "Camerata Buffon" an, worauf sie einen spontanen Erwiderungsgruss durch Buffon erhielten. Vier Anhaltspunkte, welche fast einem Beweis gleichkommen.
Fabio Cannavaro, Captain der italienischen Nationalmannschaft, ist hingegen unter die Faschisten aus Zufall zu zählen: Als er in Madrid seinen Meistertitel auf dem Spielfeld feierte, warf ihm jemand eine italienische Flagge zu, welche in der Mitte das faschistische Symbol des Liktorenbündels trug. "Ich bin kein Nostalgiker, aber auch kein Linker", schwört er heute. Im 1997 aber machte er am Radio Werbung für die Evita Peròn-Sommercamps, welche von der radikalen Rechten verwaltet wurden. Sein Manager hingegen versichert: "Ein Fussballer kann unbewusst instrumentalisiert werden."
In der italienischen Hauptstadt findet derzeit eine gefährliche Infizierung von Nachwuchsspielern der AS Roma durch Fankurve, in welcher die neofaschistische Rechte eine Vormachtstellung geniesst, statt. Daniele De Rossi, welcher dereinst die Nachfolge von Captain Francesco Totti antreten wird, ist ein Sympathisant von Forza Nuova. Ein anderer Nationalspieler der AS Roma, Alberto Aquilani, ist ein Sammler von Büsten des Duce und gibt dezidierte Aussagen von sich: "Die Einwanderer sind ausschliesslich ein Problem."
Viele Torhüter sehen es zudem ähnlich wie Christian Abbiati. Der längst zurückgetretene Stefano Tacconi war Koordinator der Lombardei für die neue MSI/Destra Nazionale und wurde wegen der Verwendung von gefälschten Wahlausweisen verurteilt, welche ihm vom Faschisten Riccardo Sindoca geliefert worden waren. Matteo Sereni, ehemaliger Juniorentorhüter der ultrarechten S.S. Lazio, ist heute Torhüter in Torino und schläft weiterhin mit der Büste von Mussolini am Kopfende seines Betts.
Das Problem ist, dass die Fussballer in einem Meer von Heuchelei schwimmen, welches ihnen erlaubt, "Faccetta Nera" als Klingelton ihres Handys zu verwenden, ohne Schuldgefühle zu verspüren, was die Frage nach ihren Mentoren in den Mittelpunkt rückt. Der ehemalige Coach der S.S. Lazio machte sich wegen den Hakenkreuzen in seiner Fankurve nie Sorgen: "Auf dem Feld sehe ich nicht über die Querlatte hinaus." Gianluca Falsini, heute Verteidiger bei Padova erklärt: "Linke Spieler gibt es wenige. Die Melancholie nach dem Faschismus kommt einem wegen den gegenwärtigen Politikern." Genau: In der Meisterschaftsperiode 2007/2008 verdoppelte sich die Anzahl der rassistischen Vorfälle auf den Spielfeldern der Serie A. Es waren deren sechs. Mario Balotelli, Jungstar von Inter Mailand und Italiener mit ghanaischen Wurzeln, erzählt so von seinem letzten Spiel mit der Nachwuchsmannschaft gegen Ascoli: "Es gibt keine schwarzen Italiener. Es war ein Slogan der Faschisten. Ich wollte das Spielfeld verlassen."

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