Samstag, 12. April 2008

Nachruf auf das Restaurant Schalom - Good night Schalom and good luck!

Vor knapp zwei Wochen informierte das ICZ-Präsidium darüber, dass das Restaurant Schalom, über Jahrzehnte Angelpunkt auswärtiger koscherer Verpflegung in Form von Restauration und Catering in der Schweiz, aufgrund einer "prekären" finanziellen Lage nicht mehr imstande sei, den Betrieb nach Pessach wieder aufzunehmen. In der Folge sei den Angestellten gekündigt worden und das Darlehen der ICZ müsse abgeschrieben werden. In Anlehnung an einen grossartigen Film eines grossartigen Filmschaffenden (George Clooney: Good Night and Good Luck) über ein Stück amerikanische Mediengeschichte möchte Chassidus Chübelsack doch noch dazu beitragen, dass der Niedergang dieser Institution nicht unbemerkt bleibe, welche zu selten den Rahmen ausserordentlicher kulinarischer Ereignisse bot, dafür in vielerlei anderer Hinsicht in den Gedächtnissen vieler Eingang fand. Hierzu sei in einer kurzen unrepräsentativen Auswahl auf persönliche never-forgets zurückverwiesen:

1. Sauce Café de Paris
Wie kann man heute noch ohne der damals mindestens wöchentlichen Sauce Café de Paris (und ich spreche nicht von der vorgegenwärtigen Adaption, welche mehr nach Parvebutter über einem Salbeibrösmeli schmeckte!) auch nur existieren! Eine Kreation eines Genies aus der Küche Chajim's, ein Substrat, das den Anblick eines Unfalls der Exxon Valdez hatte, in der Folge bis zur Unkenntlichkeit wohl gebleicht und endlich durch eine satte Gewürzration gezogen wurde. Wie oft nur hatte man dank ihr das Gefühl, man habe davor noch nie einen ähnlichen Hängebauch gefühlt und getragen? Was bedeutete schon der Hamburger neben diesem Saucenglück, was die damals noch als solche benennenswerten Pommes Frites? Hach, Zeiten, Hach Paris...!

2. Das Interieur (früher)
Es gibt Blumenabteilungen schwedischer Möbeleinrichtungen, die noch eher nach Plastik aussehen als das Dekorationsmaterial der Dreissiger Jahre des altehrwürdigen Schaloms. Unter der damaligen Führung noch erschien ein Artikel im Züritipp, bei der Verfassung des welchen der Autor wohl sehr philosemitisch gestimmt war und seltsamerweise nichts über die (vormals) weisslichen Plättchenwände, den feinstaubbelasteten (der Sommer kommt wieder, daher rechtzeitig unsere Warnung für Ihre Gesundheit!) Filzteppich und eben diesen Plastikpflanzen mitten im Restaurant schrieb (Zitat "Interieur eines Hotelspeisebetriebs"), welche die Durchsicht zwischen den zwei Teilen fast verunmöglichte und den Charme eines US-Vorstadt-Bistros vermittelte. Bei Abgabe des Restaurants von Van Djik wurde hier noch einmal Hand angesetzt, aber der Charme dieser Plastikpflanzen bleibt unvergessen. Und jede übergrosse Synthetikpflanze mit Kügelchen wird mich an das Schalom erinnern. Für immer und ewig.

3. Herr Kutch
Lieber Herr Kutch, ich habe keine Ahnung, wie man Ihren Namen schreibt, ich bin jedoch sicher, Sie verzeihen mir diese Nachlässigkeit. Was wäre das Schalom ohne Sie gewesen. In den letzten Zeiten sah ich sie gar nicht mehr. Vielleicht wurde Ihnen nahegelegen, den Betrieb zu verlassen, vielleicht fielen sie der Rauchfrei-Politik Europas und Zürichs zum Opfer. Vielleicht besuchte ich am Ende aber den Laden auch nicht mehr regelmässig genug, um ihre Anwesenheit ein letztes Mal zu gegenwärtigen und ihr roh-herzliches "Mein lieber Freund" zu erwidern. Jedenfalls wusste niemand besser, was für die Kundschaft zu bestellen war und vor allem, was für ein Automobil sie fuhr. Niemand anders hätte besser als Werbemodell für altgediente Mercedes-Limousinen dienen können, niemanden sonst hätte man sich besser als Grossstadt-Charakterdarsteller von Jim Jarmusch vorgestellt. Niemand adaptierte den Gesichtsausdruck der jüdischen Hausfrau beim Anblick der ewiggestrigen und -selbigen Schnorrern köstlicher und servierte ihnen mit einem Mundwinkel-Grinsen in der Folge die gestrige Tagessuppe. Und vor allem: Niemand schaute einem bei ICZ-Empfängen direkter in die Augen und füllte das Schnappsglas nach der Einschätzung des Füllvermögens des Bedienten unrealistischer... Ich bin sicher, Sie haben einen gesunden Weg aus der ICZ gefunden und fristen nun Ihren wohlverdienten Lebensabend irgendwo an der Adriaküste und erzählen dort Anekdoten über die jüdische Kundschaft Zürichs in ihren skurrilsten und surrealsten Auswüchsen.

4. Frau Lerch und Jasmin
Aufgrund der Ausdehnung dieses Postings sei nur auf zwei weitere Charaktere hingewiesen, welche ebenfalls bei einem Nachruf auf das Schalom nicht ausbleiben dürfen. Einerseits war da der Charakter, der sich so liebevoll um die Kunden kümmerte und versuchte, sich alle namentlich zu merken: Frau Lerch, eine Frau, deren Schürze, runden Brille und Löckchen kaum eher an das Äussere einer Grossmutter hätte erinnern können. Und andererseits war Jasmin, Schürzenjäger sondergleichen und Neffe, Schwiegersohn und Stiefzwilling von Herrn Kutch.

Alle sie werden wir vermissen und hoffen, dass sie gut aufgehoben sind. Wie auch immer die Geschichte endet: Es ist unvorstellbar, in dieser Stadt auf ein fleischiges, koscheres Restaurant verzichten zu müssen. Ca. 7'000 Juden leben in dieser Stadt, eine Grösse, wo man sich kaum vorstellen kann, auf ein qualitativ ansprechendes Restaurant verzichten zu müssen. Man hofft, die Verantwortlichen finden bald eine Lösung, welche eher anspricht wie die unbefriedigende Zwischenlösung. Auf jetzt!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Man darf Nöggi nicht vergessen?