Sonntag, 22. Januar 2012

Teilzeiterwachsenheit = Allwissenheit?

Unlängst war im Tagieg ein Interview zu lesen, wo es endlich wieder einmal um Israel und die Juden in der Schweiz (ist doch das selbe, oder?) ging.
Es ist grundsätzlich löblich, wenn sich Leute zur Verfügung stellen, dass Judentum in einer vernünftigen Art und Weise dem Schua (aus dem Französischen anm. des Schreiberlings) näher zu bringen.

Da werden die ersten Fragen abgeklärt und unerschrocken beantwortet, um sich kurze Zeit später in tief charejdischem Gedankengut wiederzufinden.

Der Blog unseres Vertrauens hat umgehend den Korrespondenten auf die Piste geschickt. Er konnte G. Tripolensis für ein Interview gewinnen.
Dank dieser Unterhaltung konnten einige Statements des ursprünglichen Interviews berichtigt werden, sedolüeg:


Wie nehmen die Züricher Juden die Konflikte zwischen säkulären Israeli und fanatischen Ultraorthodoxen auf?


GT: Die Situation ist aus dem Ausland nur schwierig nachzuvollziehen. Die einen argumentieren, sie werden ungerecht behandelt und verteufelt. Die Säkulären machen derweil in einer Art und Weise mobil, dass es den Anschein macht, als schwele ein viel tieferer Konflikt in der Gesellschaft und der Identität des israelischen Staates, als dass es auf einen einzelnen Zwischenfall darauf ankommt. Es geht um viel mehr: Einerseits steht die Frage im Raum, wieviel eine Volksgruppe zu Lasten einer breiten Mehrheit (Mehrheit der israelischen Staatsbevölkerung ist säkulär) fordern darf. Und dies erst noch, ohne sich nachweislich an der Volkswirtschaft oder dem gesellschaftlichen Leben bzw. der Staatssicherheit zu beteiligen. Inzwischen bestehen in Israel verschiedene Kanäle, durch deren Benützung ein Beitrag an das Staatsbürgertum auch den Religiösesten offensteht. Abgesehen davon: Die Forderung nach getrennten Trottoirs und Bussen ist absurd. Eine Lösung wäre sicherlich die Verteilung von Toitois mit Füssen: Wer nicht auf einer öffentlichen Strasse gehen will, soll alleine in seiner geistigen Scheisse rumspazieren.



Welche Geschlechterrollen werden in den jüdischen Schulen in Zürich vermittelt?

GT: Klar, wir sprechen hier von verschiedenen Schulen. Der joviale Wissen Sie-J. hat in seinem Interview-Statement insbesondere auf den äusseren rechten Flügel abgezielt. Dabei hat er leider vergessen zu erwähnen, dass die grösste jüdische Schule in der Schweiz seiner Beschreibung in keiner Weise entspricht. Es geht also primär nicht um die Vorbereitung der Frau auf die Bedienung eines Kochherds oder die Erziehung von Kindern, bevor die Frau selbst den Kinderschuhen entwachsen ist. Wir sprechen hier mitunter von Primarschülern. Also geht es für den jüdischen Fächeranteil primär darum, das Bewusstsein für die jüdische Religion, den jüdischen Alltag und die jüdische Kultur zu stärken und zu festigen. Besagte Schule kennt zumeist auch keine geschlechterspezifische Trennung, da die jüdische Geschichte wohl für beide Geschlechter aus derselben Perspektive vermittelt werden kann. Einzelne Fächer werden dennoch getrennt vermittelt, dies unterscheidet sich aber sehr marginal von einer a-religiösen klassischen Trennung der Geschlechter für Werken/Handarbeit. Ich spreche vor allem aus eigener Erfahrung, manches mag sich also auch geändert haben.



Tragen jüdische Privatschulen nicht dazu bei, dass sich eine Parallelgesellschaft entwickelt?

GT: Parallelgesellschaft ist ja so 2011 (also das alte Schwarz)... Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was mit diesem Ausdruck signalisiert werden soll. Er tönt nach Abschottung, feindlicher Bildung und riecht nach der Jahrhunderte alten Angst, die Juden ziehen ihr eigenes Ding durch und konspirieren sich zum Papstmord, Blutrünstigkeit, Brunnenvergiftung und anderen Katastrophen der menschlichen Geschichte. Jemand hat mal gesagt, Antisemitismus sei weniger ein Problem der Juden, als ein Problem der Nicht-Juden. Wieso kommt es dazu, was löst ihn aus? Die Verschiedenheit? Die kulturelle Vielfalt, das Fehlen einer vollständigen Durchmischung? Ehrlich gesagt ist mir das Bestehen einer Parallelgesellschaft egal, solange sie nicht den Bestand des betroffenen Staates nicht unterläuft oder ernsthaft in seinen Grundwerten gefährdet. Wer dies in Zürich für die jüdische Gemeinschaft behauptet, weiss nicht, wovon er spricht.



Wie hat sich die jüdische Gemeinschaft in Zürich entwickelt?

GT: Für eine exakte Beantwortung dieser Frage müsste man die JLeague Foundation und deren Amt für Statistik und Vermessung konsultieren. Für eine ungefähre Beantwortung mag folgende Aussage genügen: Die Anzahl Juden in der Schweiz ist konstant. Während in den letzten 15 Jahren eine weitere Million die Schweiz bevölkert, ist die Anzahl Juden in der Schweiz stabil geblieben (statistisch wohl sogar leicht rückläufig). Einzelne Gemeinden sind durch das Ausbleiben einer breiten jüngeren Generation akuter vom Untergang gefährdet als andere (so zum Beispiel St. Gallen und mittelfristig auch Basel), grössere Gemeinden erfahren derweil eine Zuwanderung: Sei es aus den genannten Klein-Gemeinden, sei es aus dem Ausland durch partnerschaftlichen Nachzug. Einzelne jüdische Gemeinden erfahren ein deutliches Vakuum in der Mitte und polarisieren sich in den religiösen Gemeinden seit einigen Jahren zum rechten Spektrum. Derweil zeigt sich auch das Phänomen, dass die grösseren Synagogen je länger desto mehr desertiert werden: Einerseits liegen die Synagogen an historisch bedeutenden Stellen, welche heute aber zu zentral in der Stadt Zürich liegen und somit von den Wohnzentren jüdischer Familien im Kreis 2-3 und weiter stadtauswärts. Dies trägt dazu bei, dass einzelne kleinere Gebetlokale einen Boom erfahren und je länger desto mehr regelmässige Besucher zählen. Die Positionierung dieser Lokale untereinander ist nicht immer ganz problemfrei und die Kommunikation zwischen diesen ist zeitweise nicht optimal. Das Modell der Shop-in-Shop-Gemeinde wurde als vermeintlicher Pionier des 21. Jahrhunderts getestet, scheiterte aber aus verschiedenen Gründen (entweder war es für dieses Modell zu früh, die Basis war zu wenig breit oder es wurden in der Kommunikation oder philosophischen Ausrichtung Fehler begangen).
Und nun noch in eigener Sache:
Wenn man als Vertreter einer Minderheit Auskunft über dessen Religionsausübung gibt, entsteht automatisch folgendes Problem: Einerseits soll man Dritte über Gepflogenheiten informieren, andererseits besteht die Gefahr, wie in diesem Interview, dass gewisse Statements sehr generalisierend klingen oder auch von den Medien nur so dargestellt werden.



Wie geht man mit diesem Dilemma um?

GT: Die Frage ist nicht ganz einfach. Einerseits muss das entsprechende Medienunternehmen verstehen, dass wir hier von sehr verschiedenen und intra-jüdisch-philosophisch weit entfernten Ecken sprechen. Der ursprünglich Befrungene (mit einem tendentiell rechten und konservativen Spektrum) beispielsweise wird bei der gleichen Fragestellung nur sporadisch dieselben Antworten geben wie Rabbi S.R. (integrativer Ansatz verschiedener Einflüsse). Man muss auch aufpassen, wen die Antworten erreichen und wie man diese rüberbringt, ohne dass ein Bild entsteht, das ein Licht auf eine breite Mehrheit wirft. Der Vorsitzende der Teilzeiterwachsenheit beispielsweise begeht den Fehler, dass er die Vorfälle in Beit Shemesh verniedlicht und statuiert, das seien Einzelfälle. Zudem legt er sich selbstg in die Nesseln und behauptet, man kenne in diesen Kreisen weder Sex noch Drogen. Solche Aussagen sind leider und in schockierendem Ausmass absoluter Blödsinn und fernab der Realität des 21. Jahrhundert. Selbstverständlich auch im innerjüdischen Kontext. Ein Blick hinter die Kulissen religiös-jüdischer Teenager ist aufwändig und fördert erschreckende Realitäten zu Tage. Die zitierten Behauptungen dienen aber in keiner Weise Prävention oder der Problemlösung.



Bestehen allfällige Synergien zwischen der angestrebten Völkerverständigung und der JLF?

GT: Um Glatzköpfe und Jungnazis in inzwischen gesperrten Foren zu zitieren: Ein jüdischer Verein, welcher jüdischen Jugendlichen und Junggebliebenen ermöglicht, sich sportlich zu betätigen, ist separatistisch, elitaristisch und somit das alte Schwarz. In diesem Sinne fördert die JLeague auch die Parallelgesellschaft. Aber wie bereits weiter oben genannt: Das stört nicht zwingend, so lange man in der einen oder anderen Weise am Leben der ansässigen Gesellschaft teilnimmt. Und die JLF hat ja über seinen Emissären Julian Assange Medien ins Leben gerufen, welche sich die Transparenz und subversive Verbreitung von Gerüchten und Meta-Wissen auf die Stirn geschrieben haben. Wir sind also einerseits die Völkerverständigung selbst und dies aus einem integralistischen Mordor-Kreis heraus. Wer das versteht, darf sich gerne für einen Führungsposten bei der JLF bewerben (wenn's ihm hilft). Für das Bewerbungsgespräch muss sich der Kandidat insbesondere folgende Merkworte einprägen: Die JLeague Foundation basiert auf den standfesten Säulen von Integrität, Klugschiss und Joga Bonito.

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