Mittwoch, 22. April 2009

Leseprobe einer Hörprobe: Sympathie in der Symphonie

Es gibt Lebensformen, welche einfach vor sich hin vegetieren. Deren Existenz keines weiteren Kommentars bedürfen und welche abseits von Zivilisation gleicherart zu bewundern wären, als ständen sie unter tosendem Applaus von abertausenden Zuschauern auf der historischen Platea von Woodstock. Dagegen stellen wir Organismen, welche von allen Anfang an direkt mitten ins Herz treffen und von welchen wir uns kaum mehr abwenden können. Gruppen von Menschen, denen wir stundenlange zuschauen könnten und uns wünschen würden, die Zeit würde still stehen und die Welt würde aufhören, um ihre Achse zu drehen. Oder um die Sonne. Oder egal worum. Jedenfalls ist der Autor auf der Suche nach einem Comeback-würdigen Examinationsobjekt auf den Synagogenchor der ICZ gestossen. Zu hören ist dieses bemerkenswerte Ensemble massiv begabter Laiensänger in regelmässigen, jedoch schwierig zu eruierbaren Abständen in der Synagoge der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich. Hier tragen sie entscheidend zur Feierlichkeit und Zerschönerung des Gottesdienstes bei, indem sie insbrünstig und mit bemerkenswerter Überzeugung und Mimik mit ihrer Stimmgewalt die entferntesten Winkel des prächtigen Gotteshaus erfüllen. Zusammengesetzt wird dieses Ensemble aus der Breite von Anwälten, Taxifahrern, Marathonläufern, Rentnern und Gemeindefunktionären.

Gleich von Anfang an merkt man die Überzeugung dieser sympathischen Truppe, welche es bewerkstelligt, eine überzeugende Mischung aus unzähligen Jahrhunderten jüdischer Liturgie ans Publikum zu tragen, wobei dieses fast jede Melodie mitzusingen und mit einem Lächeln zu tragen weiss. Wenn der Chor bei laufendem Gottesdienst eintritt und sich witzelnd mitten auf der Treppe formiert, weiss auch der hinterletzte Synagogenbesucher, dass gleich eine orchestrale Verzückung bevorsteht. Die Stimmung ist fast mit in Scheiben zu schneiden. Nun hat auch das letzte Chormitglied seine Weltwoche aus den Noten wegversorgt und steht eingesingt bereit für seinen Einsatz. Die Melodien sind bereits derart eingefleischt, dass kaum ein Chorjunge mehr auf seine Noten schauen muss und dem Dirigenten sozusagen blind durch den umfangreichen Gottesdienst folgt. Nach dem letzten Ton ist der Dienst für diese Mannen dann getan und sie verziehen sich wieder diskret in ihr Kämmerlein oder in ihre eigene Universen. Und für den Besucher und Synagoganten bleibt diese süss-malzige Melodienfolge in den Ohren, welche ihn während Monaten bis zum nächsten und hoffentlich baldigen Auftritt begleiten wird.
Der nächste Auftritt des Synagogenchors findet am 25. April 2009 statt (Bilder stammen von der Homepage des Synagogenchors, www.synagogenchor.ch).

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