Mittwoch, 13. Februar 2008

Gvinat Akum

Im Zusammenhang zur aktuell entfachten Diskussion um die koschere Käseversorgung in der Schweiz scheint es, als ob es ein Bedürfnis bestehe, einige Punkte zur Thematik um Gvinat Akum aufzubringen. Immerhin sind wir in der ganzen Welt für unsere blonden Frauen (Switzerland? Stockholm? Isn't that...) und Milcherzeugnisse zwischen duftendem Fondue (wir warten immer noch sehnlichst auf ein ergötzendes JFondue...) und solider Helvetierschokolade bekannt, weshalb wir uns auch dem Anspruch stellen sollten, eine akzeptable und vor allem geniessbare Käsepalette zur Verfügung zu haben, welche dieser Bezeichnung auch wirklich gerecht werden. Die momentan verfügbaren schmecken entweder bereits vor dem Öffnen nach ausgewachsenem Kamelschiss, verursachen am Folgetag des Konsums schwere Sandstürme im Magen und Verweichlichungen der Darmflora oder werden nach einer Woche schimmlig und verpesten den Kühlschrank misamt seinen Zwiebel-Sheidim.
Jedenfalls sollte etwas - im Nachgang an Dan's Kommentar im vorhergehenden Post - klargestellt werden, bevor sich eine hungrige Delikatessenmeute auf die Emmiregale stürzt. Oder die Menschheit Jahrhunderte mit niederschwelligem Käse verschwendet (siehe die Paprika-Chips-Debatte).
In den vorliegenden, neuzeitlichen und relativ spärlich gestreuten Quellen (für deren originäres Studium siehe auch Gemara, Avodah Zarah 35; Shulchan Aruch, Yoreh De'ah 115) erscheint im Zusammenhang mit Käse-Kaschrut hauptsächlich ein Hindernis namens Gvinat Akum. Viel eher bekannter ist die Problematik von Chalav Akum bzw. Chalav Israel (oder siehe auch die Brotdiskussion um Pat Akum und das Dekret von Rav Moshe Feinstein in Teshuvot Igrot Moshe. Yoreh De'ah 1:47). Letztere Bezeichnung ist ein Koscherzertifikat, welches bezeugt, dass in der abgestempelten Milch keinerlei Erzeugnisse von unkoscheren Tieren vorhanden sind. Dies war vor allem in einer Zeit notwendig, als in deklarierter Kuhmilch auch andere Quellen wie Eselsmilch verwendet wurden und deshalb nicht koscher waren. Seit etlichen Jahrzehnten wird dies aber in breiten Kreisen der gemässigten Orthodoxie jedoch nicht mehr als eine bestehende Gefahr betrachtet, weshalb sich in der Koscherliste (beispielsweise derjenigen der ICZ) auch etliche Milchprodukte finden. Konservativere Kreise ziehen es derweil vor, weiterhin nur Milch zu konsumieren, welche einen aufgedruckten Stempel trägt, Chalav Israel halt.
Bezüglich Gvinat Akum scheint es eine Unsicherheit zu geben, ob es sich um eine sozial motivierte Gzerah (cf. Yerushalmi Shabbat 1:4) handelt, welche alle Arten von "fremdem" (hamevin yavin) Käse sanktioniert und sich deshalb in den Breitengraden von Stam Yeinam bewegt (Reminder: Rituellen Wein gibt es heute ja auch nicht mehr, weshalb das Koscherwein-Gebot abseits materieller Debatten nur auf der sozialen Komponente basiert). Dies könnte m. E. auch eine rein marktprotektionistische Massnahme sein, um die Hersteller des koscheren Käses zu schützen, welche lediglich einen unvergleichbar kleineren Markt bedienen können und deshalb darauf angewiesen sind, einer begrenzten Konkurrenz ausgesetzt zu sein.
Oder aber könnte es sich auch um eine Chalav Israel-verwandte Thematik handeln, welche es somit den Konsumenten von Chalav Akum erlauben würde, auch Gvinat Akum zu konsumieren, wenn man diese Kaschrutstufe einmal akzeptiert hat. Diese Argumentation würde auch dem Einwand standhalten, welche bezüglich der Koscherkonformität eine Unterscheidung zwischen Milch und dessen Verarbeitungserzeugnissen macht, finden sich auf Non Chalav Israel-Listen auch Buttersorten (chem'at akum). Unter diesem Aspekt sähe ich auch kein weiteres Problem, dass die ICZ dieser Sache weiter nachgehen würde, die Fragestellung weiter erörtern würde und eine Aufnahme dieser Produkte in ihre Koscherliste zumindest prüfen würde.
Es sei denn, es wird aus politischen Gründen gegenüber den orthodoxeren Gemeinden auf solche Ansinnen bewusst verzichtet - auf dem Rücken der Konsumenten wohlbemerkt...
Edith: Interessant zu diesem Thema ist folgender Artikel von Rabbi Jachter (2-teiliger Text), sowie die Zusammenfassung von Kosher Blog und sein übersichtliches Schema, wonach es in Frankreich wohl auch Poskim gab, welche Käse mit mikrobiellem Lab erlaubten.

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