Dienstag, 1. Mai 2012

Die Zürcher Koscher-Gammelfleisch-Diskussion

So, endlich haben wir wieder ein Thema, das die Gemüter zwischen Oberweningen, Lengnau, Küsnacht und Zug in Wallung bringt. Vielleicht ist die Suppe auch deutlich wärmer gekocht als sie schlussendlich gegessen wird, aber mal der Reihe nach. Vor rund einer Woche findet ein Zeitgenosse im Le Shuk in Zürich ein Pack Poulet, dessen ursprüngliches Ablaufdatum, wie es vom Produzenten bzw. Abpacker in Frankreich vermerkt war (im Grunde sind auf dem ersten Kleber zwei Daten, 12/2010 für den Frischverkauf, 12/2012 für den gefrorenen Verkauf), mit einem weiteren Kleber der Metzgerei Kol-Tuv versehen wurde. Dieser zweite Kleber weist nunmehr ein neues Ablaufdatum aus, welches das ursprüngliche um rund vier Monate überschreitet. Was danach passiert, ist eine Anprangerung dieses Umstandes über Facebook in einem wohl etwas übers Ziel schiessenden Ton und Wortlaut, welcher erstens den falschen Adressaten trägt, nämlich Le Shuk und nicht die Kol-Tuv, und zweitens wie gesagt eine sachliche Diskussion nicht zulässt. Unbestrittenermassen ist die Koscherfleisch-Versorgung im Raum Zürich suboptimal. Preise hierfür liegen über Fr. 45.-/kg (Beispiel Steak vom Rind), was für viele Familien wohl an die Leistungsgrenze geht. Vereinzelt wird Ware verkauft, welche unbestreitbar ungeniessbar ist und bereits Verfärbungen aufweist. Zudem ist der Service in der Metzgerei selbst suboptimal: Es werden unverhältnismässig hohe Zuschläge verrechnet (Vakuumisierung zu Fr. 6.-), bestellte Ware wird nicht zu vereinbarten Zeiten und an solche Orte geliefert, was eine Rücksendung und Vernichtung der Ware auf Kosten der Metzgerei zur Folge hat. Über den Umstand der problematischen Preisfindung zwischen Verkäufer und Käufer liegen offensichtliche Mängel operationeller Natur vor, welche einer Überprüfung bedürfen. 
Nachdem es sich beim Schreibenden nicht um einen ausgewiesenen Lebensmittelexperten und Kenner der relevanten Bestimmungen handelt, sind folgende Überlegungen als Fragen formuliert:
- Inwiefern trifft den Verkäufer einer abgepackten und angeschriebenen Ware eine Pflicht, die Ablaufdaten der fraglichen Ware zu kontrollieren? Kann er sich auf die Angaben des Lieferanten stützen oder haftet er selbst gegenüber dem Käufer für die Qualität der Ware?
- Wer kontrolliert die Prozesse innerhalb der Metzgerei (Einhaltung von Kühlkette, Ablaufdaten, Angemessenheit der Verrechnung von Leistungen)? Wie sieht eine Prüfung der Lebensmittelbehörde aus (zeitliche Abstände? Mit oder ohne Voranmeldung?)
- Wie löst man die nicht zufriedenstellende Problematik, dass im Raum Zürich seit über einem Jahrzehnt keine Konkurrenz mehr auf dem Koscherfleisch-Markt besteht, sondern nur ein einziger Anbieter eine Monopolstellung ausübt und sich deshalb keine Sorgen bezüglich der Qualität seiner Leistungen machen muss?
- Angenommen, im weiteren Raum Zürichs konsumieren ca. 3'000 Personen (auch) koscheres Fleisch: Wie unwahrscheinlich ist es, ein Koscherfleisch-Business zu humanen Preisen und gewinnbringend zu betreiben? (Die Bezahlung der Kontingentierung kann man beschränkt gelten lassen, wenn auch dies ein beschränkter Preistreiber sein dürfte. Der Umstand des Imports zählt nicht nur, ein wichtiger Anteil des treyfenen Fleischs wird ebenfalls importiert. Bleibt die Frage des Volumens, welches für koscheres Fleisch unvergleichbar tiefer liegt.)
Die Liste kann erweitert und ergänzt werden. Jedoch ist es auch hier essentiell, Anstand und Fairness zu bewahren. Erstens muss mit denjenigen Playern schlussendlich umgegangen werden, welche dieses Geschäft lokal betreiben. Zweitens bringt die Androhung der Publikation in öffentlichen Medien in diesem Zusammenhang überhaupt nichts ausser einer fetten Entweihung G'ttes: Welcher Konsument wird den Artikel im 20 Minuten lesen, entrüstet den Kopf schütteln und ab sofort nur noch im Bell einkaufen gehen...

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